Die Kappung der Hauptstadtzulage – eine „illegitime Ungleichbehandlung der Lehrkräfte“

Die Funktionsstelleninhaber*innen der Kurt-Tucholsky-Oberschule haben gegenüber Bildungssenatorin Frau Scheeres und Finanzsenator Herrn Kollatz die Kappung der Hauptstadtzulage für Entgelt- und Besoldungsgruppen über E13/A13 kritisiert. Wir dokumentieren das Schreiben im Folgenden.

Sehr geehrte Frau Scheeres,

sehr geehrter Herr Kollatz,

 

die aktuell bekanntgegebene Kappung der Ballungsraumzulage zwingt uns Lehrkräfte der Entgelt- bzw. Besoldungsgruppen E14/A14 und E15/A15 dazu, Sie auf folgende Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen und zur Behebung dieser aufzufordern.

Der vom Berliner Senat vorgestellten Kappung der Ballungsraumzulage ist aus unserer Sicht in den folgenden vier Punkten deutlich zu widersprechen.

 

  1. Die Kappung der Ballungsraumzulage verringert die Arbeitgeberattraktivität des Landes Berlin im Hinblick auf Funktionsstellen im Schuldienst, sie steht daher im Widerspruch zum ursprünglichen Zweck der Zulage.

Die Ballungsraumzulage soll „die Arbeitgeberattraktivität des Landes Berlin (…) steigern“ (SenFin, Rundschreiben IV Nr. 73/2020). Gleichzeitig sind viele Funktionsstellen an Berliner Schulen unbesetzt, im Juli 2019 waren es 32 Schulleiter und 76 stellvertretende Schulleiter (schriftl. Anfrage vom 18.06.2019 beim Abgeordnetenhaus und Antwort vom 04.07.2019). Derzeit sind insgesamt 122 Funktionsstellen ausgeschrieben, davon 96 sofort zu besetzen (https://www.berlin.de/sen/bjf/ service/karriere/funktionsstellen/ abgerufen am 28.09.2020).

Die Kappung der Ballungsraumzulage bedeutet faktisch, dass die Übernahme von mehr Verantwortung ab November 2020 mit einer geringeren Erhöhung der Bezüge einhergeht. Daher ist davon auszugehen, dass sich die Situation der „zunehmend schwierigen Personalgewinnung“ (SenFin 2020) nicht entspannt, sondern weiter verschärft.

 

  1. Die Kappung der Ballungsraumzulage ignoriert den Anstieg der Lebenshaltungskosten der ausgeschlossenen Personengruppen und kann darum nur als ungerecht bewertet werden.

Im Juni 2019 kündigt der regierende Bürgermeister die Ballungsraumzulage „für alle Beschäftigten des Landes Berlin“ an und charakterisiert sie als „wichtige Zulage, die spürbar die Lebenshaltungskosten senkt“ (Pressemitteilung vom 19.06.2019). Das ist auch notwendig, denn 2019 weisen die Verbraucherpreise mit + 1,8 % „den stärksten Preisanstieg seit 2012“ auf (Statistisches Bundesamt 2019: Statistisches Jahrbuch 2019, S. 418). Dieser Preisanstieg betrifft alle Landesbeschäftigten, unabhängig von ihrem Einkommen.

Die Kappung der Ballungsraumzulage zieht eine willkürliche Grenze und schließt eine Personengruppe von der Senkung der Lebenshaltungskosten aus, obwohl auch deren Lebenshaltungskosten nachweislich steigen.

 

  1. Die Kappung der Ballungsraumzulage verletzt das Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen und missachtet damit geltendes Beamtenrecht.

„Das Abstandsgebot stellt einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums dar (…) Es untersagt dem Besoldungsgesetzgeber ungeachtet seines weiten Gestaltungsspielraums, den Abstand zwischen verschiedenen Besoldungsgruppen dauerhaft einzuebnen, soweit der Gesetzgeber nicht in dokumentierter Art und Weise von seiner Befugnis zur Neueinschätzung der Ämterwertigkeit und Neustrukturierung des Besoldungsgefüges Gebrauch macht“ (BVerfG 23.05.2017).

Die Aufgabenbereiche für die verschiedenen Leitungsfunktionen wurden weder umstrukturiert noch verkleinert (vgl. SenBJF: VV Zuordnung 11.02.2020). Die Kappung der Ballungsraumzulage verringert lediglich den Abstand zu den unteren Besoldungs-/Entgeltgruppen: Zwischen E14 und E13 beträgt er dann statt wie bisher rund 160 € netto nur noch 77 € (Variante ohne VBB-Ticket) bzw. sogar nur 69 € (Variante mit VBB-Ticket), also weniger als halb so viel (Beispielrechnung für Arbeitszeit 100 %, Erfahrungsstufe 5, Steuerklasse I, Kirchensteuer keine, Kinderfreibeträge keine, Krankenkasse 15,5 %). Das entspricht eindeutig einer Einebnung des Abstands.

 

  1. Die Kappung der Ballungsraumzulage stellte eine Ungleichbehandlung der Lehrkräfte dar, für die der Berliner Senat keinen sachlichen Grund benannt hat. Die Kappung der Ballungsraumzulage halten wir darum für unzulässig.

Die Ballungsraumzulage für nur 90 % der Landesbeschäftigten wird vom Senat wie folgt kommentiert:

Weil „verfassungsrechtliche Alimentationsgrundsätze nicht berührt sind, hat der Senat von Berlin sich mit Blick auf die größere Wirkung der Hauptstadtzulage auf die überwiegende Zahl der Beschäftigten des Landes Berlin in den unteren Einkommensgruppen für eine soziale Kappung des zulagenberechtigten Empfängerkreises bei der Besoldungsgruppe A13 entschieden (Gesetzesbegründung zum Haushaltsumsetzungsgesetz 2020 vom 05.05.2020 – Abgeordnetenhausdrucksachen Nummern 18/2665, S. 22 f.).

Eine nachvollziehbare Begründung dafür, dass Lehrkräfte der Besoldungsgruppe A13 zulagenberechtigt sind, Lehrkräfte der Entgelt-/Besoldungsgruppen E14/A14 und E15/A15 jedoch nicht, erschließt sich daraus nicht. Eine Begründung für die Kappung bei der Gehaltsgruppe A13 ist nicht ersichtlich.

Dass die Hauptstadtzulage den Funktionsstelleninhaber*innen nicht gezahlt wird, kann nur als Geringschätzung ihrer Arbeit verstanden werden.

Vor der Folie dieser Argumentation klingt die Einleitung der VV Zuordnung wie Hohn:

„Es ist eine gesicherte Erkenntnis der Schulforschung, dass eine gute Schule nur gelingen kann, wenn die Leitungsaufgaben aktiv und erfolgreich wahrgenommen werden.“

 

In der aktuellen Form stellt sich die Ballungsraumzulage bezogen auf den Schuldienst als zwecklos, ungerecht, beamtenrechtlich nicht haltbar sowie als illegitime Ungleichbehandlung der Lehrkräfte dar.

Eine sinnvolle und faire Zulage muss allen Beschäftigten zustehen!

Wir bitten Sie eindringlich, Frau Scheeres, als unsere oberste Dienstherrin und Sie, Herrn Kollatz, als den zuständigen Finanzsenator, sich dafür einzusetzen, dass dieser Missstand umgehend korrigiert wird.

 

Mit freundlichen Grüßen

die Funktionsstelleninhaber*innen der Kurt-Tucholsky-Oberschule Pankow 03K02

Berlin, September 2020